»Er war offensichtlich übermannt«, spekulierte Christian Lindner über die Annahme der Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten durch seinen Parteikollegen Thomas Kemmerich, der im Februar 2020 mit Stimmen der AfD überraschend ins Amt gekommen war. Der Aufschrei in der Republik war groß und deutlich, so dass Kemmerich schließlich zurückzog und den politischen Dammbruch noch einmal abwendete. Dass in Erfurt zerbrochene Porzellan sollte Warnung genug sein, in Zukunft die demokratischen Reihen zu schließen, um den zersetzenden und spaltenden Angriffen der AfD keine Angriffsfläche mehr zu bieten.

In der Bezirksvertretung Burg-Höhscheid scheinen CDU und FDP jede Erinnerung an das Erdbeben von Thüringen verschlafen zu haben und freuten sich am Mittwoch überrascht, dass sie mit der Stimme der AfD den Bezirksbürgermeister und die 2. Stellvertreterin stellen können. Nicht genug war dieses Ergebnis nur möglich, weil auch aus den rot-rot-grünen Reihen entgegen vorheriger Absprachen eine Stimme an die konservative Liste ging. Die AfD rühmte sich denn auch umgehend dafür, die Kandidatin der Grünen verhindert zu haben. Paul Westeppe und Ute Klein scheint dieser Umstand ihrer Wahl bislang nicht anzufechten.

Das Bündnis Solingen ist Bunt statt Braun appelliert eindringlich an Paul Westeppe und Ute Klein zu überprüfen, ob sie ihre Ämter mit Hilfe der AfD antreten möchten und damit der von der AfD bewusst betriebenen Spaltung der demokratischen Parteien Vorschub zu leisten. Wie sehr es der AfD darum geht, die kommunalpolitischen Institutionen zu blockieren und zu stören, zeigte sich bereits bei der ersten Sitzung des Solinger Stadtrats. Auch die Ereignisse der letzten Tage in Berlin und im Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude zeigen klar die Demokratiefeindlichkeit der AfD. Sie hat keine Hemmungen auf symbolhafte Handlungen der Faschisten aus den 1930er Jahren zurückzugreifen.

Auch wenn die AfD zuletzt Boden verloren hat, weil ihre rechtsextremen Strömungen nicht mehr zu leugnen sind und der letzte bürgerliche Schafspelz gefallen ist, dürfen sich die demokratischen Parteien nicht in Sicherheit wiegen, sondern müssen klare Kante zeigen und Schulterschluss üben, damit die Spaltungstaktik der AfD keine Chance hat und die Demokratie nicht vorgeführt wird. Den „Höhscheider Gewählten“ hätte ein eindeutiger demokratischer Reflex gut gestanden und der sollte für alle Demokraten verpflichtend sein: unter solchen Umständen nimmt man die Wahl nicht an. Und schafft damit Zeit für alle, sich zu besinnen.

Ergänzende Pressemitteilung vom 22.11.2020 [pdf]

Foto: Thüringer Rostbratwurst auf dem Markt in Weimar, Dr. Bernd Gross, unter CC-Lizenz Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

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