Wer nicht aus der Vergangenheit lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen

Am 29. Mai 1993 verübten rassistisch motivierte junge Männer einen Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç. Gürsün Ince, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç starben in den Flammen bzw. beim Sprung aus dem Fenster, weitere Familienmitglieder wurden teilweise schwer verletzt. Drei Tage zuvor hatte der Deutsche Bundestag mit der Einführung der sogenannten Drittstaatenregelung das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch abgeschafft. Beide Ereignisse jähren sich im Mai 2016 zum 23. Mal.

„Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ war damals nicht nur die Parole der Neonazis. Allein 1992 kam es zu rund 2.000 rassistischen Anschlägen und Übergriffen. 17 Menschen wurden allein in jenem Jahr von Neonazis umgebracht.

Heute heißt es, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört und dass diejenigen welche Deutschland nicht lieben, Deutschland verlassen sollen. Vom Flüchtlings-Tsunami und der Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem ist die Rede. Dagegen wird der Schießbefehl an der Grenze (Mauer) gefordert.

Zur gleichen Zeit wird das Flüchtlingselend vor den hochgezogenen Toren Europas immer unerträglicher. Das „reiche“ Europa ist nicht in der Lage und gewillt ausreichend Solidarität zu zeigen und schaut mehr und mehr weg. Mit schmutzigen Deals mit despotischen Regenten, mit Geld statt konkreter Hilfe, sollen die verzweifelten Menschen für uns nicht mehr sichtbar werden.

Fast täglich greifen Rassisten und Rassistinnen Flüchtlingsheime an, islamfeindliche Übergriffe nehmen zu. Erschreckend viele Menschen nehmen an fremdenfeindlichen und rassistischen Demonstrationen teil. Pegida hetzt gegen Geflüchtete und Muslime und Musliminnen.

Währenddessen wird die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zunehmend zum Sammelbecken für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. An vielen Orten ist die AfD Zentrum der extremen Rechten geworden. Abgeordnete der AfD verbreiten Nazi-Parolen und hetzen gegen Andersdenkende.

Die AfD ist zu einer ernsthaften Gefahr geworden, für all jene, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen.

Im vergangenen Jahr 2015 wurden 13.846 einschlägig rechtsextreme Straftaten und damit eine Steigerung um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr registriert. Auch die Gewaltbereitschaft ist demnach gestiegen. So wurden vergangenes Jahr insgesamt 921 rechtsextreme Gewalttaten registriert (2014: 496). Dabei wurden 691 Menschen verletzt (2014: 431). Die meisten Gewalttaten, insgesamt 612, waren fremdenfeindlich motiviert. Damit hat sich diese Zahl im Vergleich zu 2014 fast verdoppelt. In den ersten vier Monaten des Jahres 2016 lassen sich 325 Angriffe auf Unterkünfte dokumentieren – 63 davon sind Brandanschläge. (Amadeo-Stiftung / Pro Asyl Stand 29.04.2016)

Solingen hat sich ernsthaft bemüht die Lehren aus dem Brandanschlag am 29. Mai 1993 zu ziehen. Das äußert sich gerade aktuell in einer äußerst ausgeprägten ehrenamtlichen Hilfe für die zu uns Geflüchteten, sowie in dem Bemühen der Verwaltung diese Menschen nicht länger in Turnhallen und Containern unterzubringen und mehr Wohnraum für Alle zu schaffen.

Trotzdem ist, angesichts der zu nehmende Hetze gegen Migrantinnen und zu uns Geflüchteten, angesichts der wöchentlich stattfindenden Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, die Gefahr groß, dass sich die erlebte Gewalt auch in unserer Stadt wiederholen könnte. Denn auch in Solingen schüren Rechtsextreme und -Populisten die Angst vor Überfremdung und Islamisierung. Allen voran die AfD und Pro-NRW bzw. Pro Deutschland sowie NPD.

Deshalb gehen wir auch an diesem 23. Jahrestag auf die Straße und demonstrieren für Solidarität und Willkommenskultur, gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

All jene, die sich mit Grauen an die Brandanschläge der 1990er Jahre erinnern, die angesichts der Hinrichtungen durch den NSU Entsetzen empfinden und denen sich angesichts des alltäglichen Rassismus der Magen umdreht: Wir alle sind gefragt, einzutreten für

  • gleiche soziale und politische Rechte für alle Menschen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben
  • kommunales Wahlrecht für alle Solingerinnen und Solinger
  • ein wirkliches Bleiberecht für alle hier lebenden Menschen
  • das Recht auf Doppelte Staatsangehörigkeit
  • engagierte Arbeit gegen Rassismus und diskriminierende Verhaltensweisen

Kein Mensch ist illegal! Stoppt die Abschiebungen!